Mein Buch

"Meinen ersten Männerschwanz hatte ich mit fünfzehn in der Hand." So lautet der erste Satz meines Buches.

Ich weiß nicht, wann ich den ersten Satz für mein Buch über mein Leben mit der Bulimie formuliert habe. Ich weiß nur, dass es viele Jahre her ist.

Es gibt nur zwei Menschen, über die ich über mein Buchprojekt spreche: meine beste Freundin Margarita und mein bester Freund Michael.

Mit beiden bin ich seit über 30 Jahren befreundet, und beide Freundschaften werden getragen von Offenheit, Vertrauen und Wertschätzung. Diese Begriffe sind mir sehr wichtig – sie sind die Säulen meines Lebens.

Leider begegnen mir alle drei Begriffe bei nur sehr wenigen Menschen. Umso mehr bin ich dankbar für diese beiden Freunde. Es sind Menschen, denen ich meine Gedanken + meine Gefühle anvertrauen kann. Denn ich weiß, sie werden keinen Missbrauch damit treiben.

Mit Margarita und mit Michael habe ich immer wieder darüber gesprochen, warum mein Buch nicht längst fertig ist. Denn ich frage mich, was mich davon abhält, es endlich zu Ende zu bringen.

Bis heute kann ich die Frage nicht beantworten, aber zumindest sind die ersten drei Kapitel fertig, und ich habe mir fest vorgenommen, bis Ende dieses Jahres auch die restlichen Kapitel fertigzustellen.

(Nachsatz: wird nicht klappen, denn es ist bereits Ende November …)

Doch in all der Zeit, in der ich mit diesem Buchprojekt gedanklich beschäftige, hat sich der erste Satz nicht geändert. Er lautet:

Meinen ersten Männerschwanz hatte ich mit fünfzehn in der Hand.”

Bei diesem Satz reagierten Margarita und Michael ähnlich. Sie sagten sinngemäß: “Heftig!” Doch es gab für mich nie den Gedanken, diesen Anfangssatz zu ändern oder gegen eine weniger heftige Formulierung auszutauschen. Denn erstens entspricht der Satz Wahrheit, und zweitens sollte ein Roman immer einen guten ersten Satz haben. Und dieser Satz ist gut! Denn er drückt mit wenigen Worten das Hauptthema des Buches aus: Männer spielten in meinem Leben eine große Rolle.

Leider muss ich dazu sagen: Die meisten davon spielten keine gute Rolle. Ob es an ihnen lag oder an mir … keine Ahnung. Vermutlich lag es an beiden. Aber ich weiß definitiv, dass ich oft die falschen Männer gewählt habe. Denn ganz gezielt habe ich mir die Arschlöcher ausgesucht, die “netten” Männer waren mir zu langweilig.

Mittlerweile weiß ich auch, dass diese Männer mir nicht zu langweilig waren, sondern ich Angst vor Nähe hatte. Ja, emotionale Nähe machte mir Angst! Ich befürchtete, diesen wunderbaren Zustand wieder zu verlieren, sobald ich ihn erreicht hätte. Deshalb ließ ich ihn gar nicht erst entstehen.

Klingt schizophren, ist in sich aber logisch. Denn was ich nicht besitze, kann ich nicht verlieren.

Demzufolge zog ich es vor, zwar permanent nach dieser vielversprechenden und romantischen Nähe zu suchen, aber sobald sie in Sichtweite war, nahm ich Reißaus. Denn niemand konnte mir versprechen, dass sie bleiben würde. Deshalb war mir lieber, mich mit der Suche nach Nähe zu beschäftigen, als einer verloren gegangenen Nähe hinterherzutrauern.

Diese Erkenntnis habe ich vor einigen Jahren gewonnen, und ich bin mir sicher, dass sie der Schlüssel zu meiner Bulimie ist. Denn mit der Bulimie habe ich versucht, meine Einsamkeit zu kompensieren. Ich wollte sie übertünchen, indem ich mich mit Essen “verwöhnte”. Ich befriedigte mich oral. Konkret gesagt: Ich versuchte es. Geklappt hat das natürlich nicht. Im Gegenteil. Diese verfluchte Psychomacke hat mich nicht befriedigt, sondern zutiefst unglücklich gemacht.

Apropos Psychomacke … Bulimie wird gern als “Krankheit” oder “Ess-Brech-Sucht” bezeichnet. Ich finde beide Begriffe nicht richtig, denn in meinen Augen ist Bulimie weder eine Krankheit noch eine Sucht. Ich bezeichne diese Mischung aus zu viel essen und erbrechen als psychische Störung.

Über zwanzig Jahre hatte mich die Bulimie im Griff. In dieser langen Zeit habe ich ein kleines Vermögen ins Klo gekotzt. Von den gesundheitlichen Schäden ganz abgesehen. Dass diese ganze “Sache” nicht schlimmer oder gar tödlich endete, ist wirklich ein Wunder.

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