Gott hilft bei Bulimie?
Weil ich bei meinem Internetbrowser den Begriff »Bulimie« als Alert eingegeben habe, bekomme ich ständig Informationen über neue Beiträge im Internet zu diesem Thema mitgeteilt.
Heute war es dieser Link:
Natürlich habe ich mir das Video angeschaut.
Und ich war sehr überrascht, wie eloquent und erstaunlich professionell Ilka Tran Anh über ihre »Befreiung« von Magersucht und Bulimie gesprochen hat. Ohne Interviewpartner hält die junge Frau einen Vortrag, bei dem alles stimmt: Die excellente und akzentfreie Vortragsweise – ohne Versprecher, ohne Denkpausen, ohne Patzer jeglicher Art. Dieses Video ist perfekt gemacht, inhaltlich und technisch. Das stimmt mich misstrauisch …
Aber zum Thema:
Gott hat Ilka Tran Anh also geholfen, die Bulimie loszuwerden. Sein Sohn war auch mit von der Partie.
So einfach geht das also. Man betet zu Gott, und schon ist man das Problem, in diesem Fall die Bulimie, los.
Ich kann zum Thema Gott sehr viel sagen. Sehr viel sogar! Denn ich bin neuapostolisch erzogen worden. Und ich habe als Kind an Gott geglaubt. Und ich habe an die neuapostolische Glaubenslehre geglaubt, die da lautete: Der Stammapostel (der Papst der Neuapostoliken) wird so lange bei den Seinen bleiben, bis das große Verderben kommt.
Das »große Verderben« hat man sich so vorzustellen: Die Erde wird von einer bösartigen Macht zerstört. Die Erde fällt in sich zusammen. Mit allem, was darauf existiert. Wenn es dann soweit ist, verwandeln sich alle Gläubigen (der neuapostolischen Kirche) in … ja, in was? Sie lösen sich einfach auf und ihre Seele fliegt gen Himmel. Übrig bleibt nur noch ein Häufchen Klamotten, das dann ja dem »großen Verderben« zum Opfer fällt. Alles futsch! Nur die gläubigen Neuapostoliken sind davongekommen. Deren Seelen besser gesagt. Die Körper haben sich ja in Luft aufgelöst … während die anderen, also die Ungläubigen, vermutlich unter schrecklichen Qualen ihr Leben lassen mussten.
Soweit, so gut. Besser gesagt so schlecht, denn genau so habe ich als Kind die neuapostolische Lehre verstanden – und die abstruse Geschichte voller Inbrunst rumerzählt. Rumerzählt in einem stockkatholischen Dorf! Was nicht zu meiner Beliebtheit beigetragen hat.
Meine Meinung dazu heute: Ich finde es außerordentlich fahrlässig, Kindern solche Lügen aufzutischen, denn Kinder glauben – und vertrauen – den Erwachsenen.
Und nun dieses Video mit der jungen Frau namens Ilka Tran Anh, die durch Gottes Hilfe von der Bulimie erlöst wurde. Da kann ich Ilka nur gratulieren, aber leider erinnert mich die Story erinnert mich fatal an mein Kindheitserlebnis.
Nicht Gott hat mich von der Bulimie erlöst, sondern ich selbst.
Mir hat auch sonst niemand dabei geholfen. Ich habe es ganz allein geschafft.
Etliche Jahre später habe ich einen Psychotherapeuten gefragt, ob das möglich sei. So ganz ohne therapeutische Hilfe.
Der Therapeut lächelte und sagte: »Natürlich ist das möglich. Es ist DEINE Entscheidung.«
Ich schätzte diesen Therapeuten sehr, weil er der einzige seiner Zunft war, der mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stand. Leider ist er mit 44 Jahren gestorben. Ein Gehirntumor hat ihn innerhalb weniger Monate dahingerafft.
Ich bedauere sehr, dass es diesen wunderbaren Menschen nicht mehr gibt. Denn heute, rund 30 Jahre später, würde ich gern noch mal mit ihm über dieses Thema sprechen. Und über etliche andere Themen auch. Denn er war ein sehr kluger Mann. Zum Thema Bulimie-Heilung durch den lieben Gott hätte er bestimmt auch was zu sagen …
llka Thran Anh kann ich nur gratulieren. Gratulieren zu ihrem lukrativen Geschäftsmodell. Das ihr vermutlich viel Geld aufs Konto schleust, das ich aber als absolut unseriös empfinde. Denn wenn ich von einem Thema Ahnung habe, dann von Bulimie. Und eines ist sicher: Gebete bzw. Gottvertrauen helfen bei der Lösung des Problems nicht!